Excerpt from Samberger Mappe

Das sich die deutsche Bildung noch nicht ganz dessen bewusst geworden ist, was sie an Samberger hat, mag zu einem Teil auch auf die immer wiederkehrenden Vergleiche mit Lenbach zurückgehn. Sachlich waren diese Vergleiche nicht unberechtigt, denn das beiden Ge meinsame lag klar zutage. Aber nahe unter der Ober fläche endet es auch schon. Auch Samberger beschränkt sich meist auf den Kopf, stellt ihn meist hell vor dunkel, führt meist mit klar erkenntlicher kecker Technik das Einzelne nur in den Hauptsachen vor, die dann die Phantasie des Beschauers zu ergänzen hat. Der Reiz der Farbe dagegen und das augensinnlich Pikante uber haupt ist ihm so viel minder wichtig, als Lenbach' dass er einige seiner bedeutendsten Wirkungen sogar mit dern schwarz-weiss der Kohlezeichnung erreicht hat. Be trifft das die Ausdrucksmittel, die Kunst im engeren Sinne, so zeigen sich Abstände erddurchmesserweit, wenn wir die beiden Persönlichkeiten des realistischen Welt kinds Lenbach und des idealistischen Gottsuchers Sam berger miteinander vergleichen.

Am meisten tritt eine Verwandtschaft mit Lenbach vielleicht noch in Sambergers Bildnissen offizieller Persönlichkeiten hervor. Das des Prinzregenten von Bayern könnte man wenigstens in der Reproduktion wohl auch dem verstorbenen Künstler zuschreiben, der realistisch bis zum Unerbittlichen beim charakterisieren den Tiefbohren werden konnte. Auch zu der meister lichen Hofmannsschilderung des Grafen Crailsheim und zu der des Erzbischofs Schork, in dessen Gesicht sich Bürgerlichkeit mit feiner Bildung und überlegener Klug heit so gelassen einen, finden wir wohl bei Lenbach Seitenstucke. Aber diese drei Werke zeigen uns auch die kunstlerische Selbständigkeit Sambergers schon: wer seine Kunstmittel so zu individualisieren versteht, auf den mag ein andrer in artistischen Dingen als ein Anreger und ermutigender Bekräftiger eingewirkt haben, im wesentlichen jedoch kann er kein Nachahmer sein. Auch in der Folge wird man jedem Sambergerschen Bilde die Stimmung ansehen, in der es geschaffen ist, und mir wenigstens scheint es auch fruchtbarer, hierauf zu achten als auf die äussern �hnlichkeiten, sei mit Lenbach, sei es mit Frans Hals oder anderen, �hnlich keiten, die doch nur selbständige verwandte Wirkungen aus verwandten Ursachen sind. Vor jedem Einzelnen ist es ganz Samberger, der malt, aber vor jedem Sam berger in einer andern Verfassung, in einer andern Sug gestion. Wie verschieden setzen sich die Lichter beim Grafen Crailsheim und beim Bischof Schork, hier poin tierend wie in eleganter Konversation, dort unauffällig und in Sicherheit ruhig modellierend, wie tropft gleich sam beim Baurat Schäfer alles Licht, wie ist Harburgersicht, wie streicht und schlagt er sich den Rossmann schen Kopf von rechts und links her gleichsam zu recht, wie rinnt die Farbe bei der Schwermut Kassan dras wie in Tränen ermattend nieder! Wer hier an be wusste Absicht dächte, verkennte den Schaffensvorgang wohl sehr. Wie nach dem alten Worte der Sänger den Gott, so erleidet der Künstler von Sambergers Art den Gegenstand. Was ihn daran reizt, strömt in ihn über und verquickt sich in einem Halbtraumzustande mit der Seele des Schaffenden, dass es auch dessen feinstes nervöses Leben in dem hier hemmt, in jenem dort elektrisiert, in allem umformt. Erst dieses �ber strahlen des Gehalts, beim Bildnismaler: der Per sönlichkeit schafft ja in der Kunst das schlagend Uber zeugende solche; Werke. Sind sehr bedeutende Men schen portratiert, so kann es auf den ersten Blick wir ken, als hätten sich die Dargestellten gar nicht malen lassen, als hätten sie gleichsam durch fremde Hände sich selber gemalt. Ich glaube, das bedeutet den höch sten Triumph, den das Zusammenwachsen von Gehalt und Form erreichen kann, wenn er auch nur beim ersten urwüchsigen Eindruck genossen wird, nur so lange also, bis neben der Phantasie das Denken sich regt.