Excerpt from Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der Heutigen Zinsengesetze (1654): Aus Handschriftlichen und Gedruckten Quellen

Die unbegrenzte Nächstenliebe bildet den Mittel punkt in den Lehren Christi und seiner Jünger. In fast numit telbarer Anschauung durchdrungen von dem gerade hierin erhabenen Wandel der Stifter der neuen Religion, erfüllt von dem inbrünstigen Drange, die hohe Reinheit solcher Sitten lehre durch das eigene Leben bis in die unbedeutenden alltag lichen Verrichtungen hin zu bethätigen, musste man vor nehmlich Anstoss nehmen an dem wesentlich auf materiellen Gewinn gerichteten Treiben der Kaufleute, welche nicht sel ten um ausseren Vortheiles willen die Grundsätze des Rechtes, der Wahrheit verleugneten und insbesondere sich kennzeich neten durch charakterloses Nachgeben gegen die Ansichten derer, von welchen sie Vortheile zu ziehen hofften. Ihr Gewerbe schien ihnen dergleichen Eigenschaften aufzuzwingen, da es lediglich darin bestand, dieselben Waaren, die sie bil liger eingekauft hatten, them*er zu verkaufen (solche galten allein als Kaufleute), ohne dass sie in der vorherigen Umarbei tung der Waare einen Grund und Maassstab höheren Preises erlangten. So nennt can. 9. Apostel. Die Kaufleute eine Art Pest. Und C/zrysosiomus 1) begründet seine Verachtung gegen sie dadurch, dass ein Kaufmann ohne Lüge und Meineid nicht existiren könne, und eifert in heiligem Ernste: kein Christ soll Kaufmann sein, und will er es dennoch, so ist er auszustossen aus der Kirche des Herrn. Neben den Kaufleuten traf härteren Tadel noch die Zinsforderer, da sie gleicher unchristlicher Eigenschaften, wie jene, theilhaft die Nächstenliebe noch schwe rer verletzten; denn sie gaben Geld und Waare ebenfalls gr1mdlos theurer, als sie dieselben empfingen, fort und fer derten diese selbst danach noch zurück. 2)

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