Excerpt from Geschichte des Vereins Deutscher Liederkranz in New York: Im Auftrage des Vereins zur Feier Seines 50jährigen Bestehens am 9. Januar 1897

Es sei besonders betont, dass es grade seine Gäste sind, auf die der Liederkranz eine solch' starke Anziehungskraft ausübt, denn wie das einzelne Individuum an seinem Umgange, so erkennt man den Verein an seinen Gästen.

Nach fiinfzigjährigem Bestehen hat. Es der Liederkranz so weit ge bracht, dass heutzutage wohl Niemand eines seiner Concerte verlässt, ohne sich musikalisch angeregt zu fühlen; von einem Unterhaltungsabende wird man sicherlich den Eindruck angenehmer Geselligkeit mit nach Hause nehmen; und wenn man sich nun an irgend einem anderen Abende in deraltdeutschen Wein und Bierstube des Liederkranz niederlässt, dann braucht man gewiss nicht lange auf Kameraden zu warten, die des Lebens Auf und Nieder, und desgleichen des Menschen Herz kennen und darum Einem auch gern Bescheid thun in Wort und Trunk.

Natürlich ist es so nicht von Anfang an gewesen, und der Lieder kranz hat ein halbes jahrhundert gebraucht, um sich zu dem harmo nischen Ganzen auszuwachsen, das man jetzt in ihm bewundern muss. Wie bei den meisten anderen Dingen, die einmal gut werden, ist auch bei ihm der Anfang schwer gewesen. Jene braven Leute, die sich im Jahre 1846 zur Herbsteszeit an einem schönen Sonntagnachmittage dort unten in der William Street zusammen thaten, zogen sicherlich Resultate, wie sie der Liederkranz jetzt erreicht hat, garnicht in den Kreis ihrer Hofi'nungen. Die deutsche Bevölkerung New York's bildete zu jener Zeit gewissermassen eine grosse Familie, ein Geist der Zusammengehörigkeit beherrschte so ziemlich Alle, und die Verhältnisse liessen sich im Einzelnen wie im Ganzen bequem übersehen. Dass aber durchaus ideale Bestrebungen die Väter des Liederkranzes zusammengeführt haben, ist ausser aller Frage, und die Pflege der Geselligkeit im grossen Stil kam zu jener Zeit schon um desswillen weniger in Betracht, weil noch nicht das Bedürfniss dafür vorhanden war. Denn erstens gab es damals so viel weniger Deutsche in New York, und dann waren die Ansprüche an die Lebensführung so viel bescheidener. Ja, man behalf sich damals mit gar dürftigen Probelocalen, und häufig musste man sie wechseln; aber erfüllt von dem Idealismus, den jeder Einzelne von Deutschland mitgebracht hatte, liess man sich die Begeisterung nicht durch den Mangel an Comfort dämpfen, und unver drossen ging man an die Ausführung der hohen Aufgabe, dem deutschen Liede in Amerika eine Heimstätte zu gründen. Leider sind uns nicht viele Aufzeichnungen aus jener Zeit erhalten geblieben, und die einzige in Betracht kommende deutsche Zeitung jener Tage, die New Yorker Staats Zeitung, hatte damals noch kein Heer von Reportern zur Verfügung und brachte noch keine spaltenlangen Berichte über alle Vorkommnisse in den Vereinen.

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