Excerpt from Geschichte der Motette

Freilich sind wir noch nicht so weit, um eine umfassende Ge schichte der Motette versuchen zu dürfen. Von der ungeheuren Metettenproduktien des 45. - 47 Jahrhunderts ist erst ein geringer Teil zugänglich. Von dem Lebenswerk gro�er Künstler wie Hein rich Isaak, Josquin de Prés, Gombert, Willaert, der beiden Gabrieli, Claudio Merule, Anerie, Nanini und vieler anderer kann sich wohl kaum jemand gegenwärtig eine zulängliche Vorstellung machen, weil nur geringe Teile der Werke dieser Meister in Partitur vor liegen. Viele Strebende werden noch Jahrzehnte zu tun haben, um nur die grö�ten Lücken auszufüllen. Immerhin ist doch schon so viel in Partituren niedergelegt, in den gro�en Gesamtausgaben, die zum Teil schon fertiggestellt, zum Teil in Angriff genommen sind und in vielen Sammelwerken, da� der Versuch gewagt werden darf, das gesamte angehäufte Material zu überschauen und kritisch zu sichten. Dabei kommt die geringe Entwicklung der Form der Geschichtschreibung wieder zunutze. Nach dem heutigen Stande des Wissens wird wohl vieles noch nicht zu überschauen sein, wohl aber kann die Vermutung ausgesprochen werden, da� es von etwa 4500 an bis zur Gegenwart kaum den Zeitraum eines Menschenalters gibt, in dem der Stand der Motette nicht könnte verfolgt werden. Lücken etwa, wie sie der �bergang der Orchestersuite von ungefähr 4700 bis zur Haydnschen Sinfonie in der Geschichte der Orchestermusik bis vor Kurzem aufwies, sind in der Geschichte der Motette kaum zu befürchten. Es darf angenommen werden, da� künftige Kenntnis der noch unbe kannten Motettenliteratur nur eine Bereicherung der Einzelerkenntnis bilden wird, nicht aber wesentlich veränderte Gesichtspunkte in der Betrachtung der Form aufnötigen wird. Die folgende Dar stellung begnügt sich also mit der Betrachtung des in Partituren vorliegenden Materials, das trotz seiner Lückenhaftigkeit doch schon au�erordentlich reichhaltig ist.

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