Excerpt from Der Blindenfreund, Vol. 7: Zeitschrift für Verbesserung des Looses der Blinden (Organ der Blindenanstalten, der Blindenlehrer-Congresse und des Vereins zur Förderung der Blindenbildung); 15. Januar 1887

Wir hatten nun nach Proclamirung der beiden erstem Grund satze-und in Rücksicht auf die gewählte Form des Themas von Herrn Gunning erwartet, dass er die Blindenanstalten vollstandig verworfen und - die blinden Kinder in die Volksschulen oder noch folgerichtiger in den Privatunterricht der Angehörigen ire1'wiesen hätte; jedoch soweit geht er nicht in seiner Forderung, sondern er sucht nur die Unhaltbarkeit der Blindeninternate nachzuweisen und wünscht dieselben in Externate umgewandelt, bezüglich durch Ein richtung von Externaten deren Vorzüglichkeit geprüft zu sehen. Wenn wir auch den Standpunkt theilen, dass auf dem Gebiete der Erziehung Externate den Internaten aus den von Gunning vorga bracl1ten Gründen im Allgemeinen vorzuziehen sind, so glauben wir doch, dass auf dem Gebiete der Blindenbildung der allgemeinen Einführung von Externaten grosse Schwierigkeiten sich entgegen stellen und damit zu viele Nacht'neile für die Ausbildung und Er werbsbefähigung der Blinden verbunden sind, so dass eine vollstän dige Beseitigung der Internate nicht räthlich und nicht thunlich ist. Nur in einem Falle ist unseres Erachtens die Blindenanstalt als Externat zulässig, in dem Falle nämlich, dass die blinden Kinder bei ihren Eltern wohnen können; also in einer sehr grossen Stadt, die so viele blinde Kinder zählt, dass sich daraus eine Blindenschüle recrutiren kann. In diesem Falle spricht die geringere Kostspieligkeit und die Moglichkeit der Erziehung im Elternhause fur das Externat. Dass Letzteres nicht die Hälfte der Kosten eines Internates erfordert, 'liegt auf der Hand, und kennen wir darüber hinweggehen. 111 Betreff der elterlichen Erziehung aber ist zu be merken, dass sie nur dann die Erziehung in einem guten Internate ersetzt, wenn sie im Einklang mit dem Geiste und den Intentionen der Anstalt gehandhabt wird; Lehrer und Eltern müssen in bestän diger Verbindung stehen und Letztere von Ersteren in Bezug auf Pflege, Ernährung und Beschäftigung der Kinder fortlaufend unter richtet und geleitet werden, was um so nöthiger ist, als das Gros der Blinden armen und weniger intelligenten Familien entstammt. Und auch bei dem besten Willen der Lehrer wird es noch häufig vorkommen, dass das Haus zerstort, was die Schule aufbaut, weil die meisten Eltern ihre blinden Kinder entweder verzärteln oder vernachlässigen, und sie in den meisten Fällen nicht die Mittel be sitzen, die zu einer rationellen Ernährung, Pflege und Beschäftigung, wie sie ein gut eingerichtetes Internat bietet, erforderlich sind. Herr kull-berlin, der das einzige blinden-externat des europäischen Festlandes leitet, wird uns aus seinen reichen Erfahrungen davon manches Beispiel erzählen-ki311nen, und wir möchten wünschen, dass er uns an dieser Stelle über die Erziehungs und Bildungserfolge seines Externates Ausführliches berichtete. Allerdings würde dessen Urtheil über den.werth des Externates ein noch gewichtigeres sein, wenn er aus eigener Erfahrung auch die Leistungen eines Internates kannte.

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