Excerpt from Archiv für Mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte, 1900, Vol. 55

Wir sind hier zusammengekommen, um eines der herrlichsten Feste zu begehen, welche Menschen begehen können, ein Fest nicht für gewaltthätige Handlungen, nicht für welterschütternde Ereignisse, sondern um einen jener Männer zu ehren, welehe all mähliche, aber tiefgreifende Veränderungen in dem Geiste der Menschen selbst hervorbringen. Als wir an dem Punkte angelangt waren, das Denkmal aufzustellen, da geriethen wir auf Schwierig keiten, die vielleicht Interesse für Sie haben. Was kann man an ein solches Denkmal schreiben? Wie kann man den Mann bezeichnen, der hier gezeigt werden soll? Wie kann man ihn dem Volke vor stellen? Eine Reihe von Vorschlägen fand keine Anerkennung, und jetzt sehen Sie das Denkmal fast schmucklos, mit einer ganz kurzen Aufschrift, die vielleicht nicht Allen genügen wird. Man muss sich in die Wissenschaft vertiefen, um zu wissen, was Johannes Müller war. Was that der Mann? Als er anfing, da fehlte noch das Wort, um zu bezeichen, was er werden wollte. Erst später wurde das Wort erfunden, mit dem wir ihn jetzt bezeichnen: Er war ein Biolo g. Das ist das einzige Wort, welches wir im Augenblicke haben, um die Arbeit dieses Mannes zum Ausdruck zu bringen; andere Worte wären nur Bruchstücke, welche einen Theil, aber nicht das Ganze bezeichnen. Müller war Professor, an eine bestimmte Aufgabe gestellt. Diese Aufgabe war Anatomie und Physiologie. Je nachdem man ihn betrachtete, konnte der eine sagen, er ist der grösste Anatom, der andere, er ist der grösste Physiolog. Wir vereinigen beides in dem Wort: Biolog. Das bezeichnet, dass er ein Naturforscher war, der das Leben selbst zum Gegen stand seiner Untersuchung machte, der bemüht war, das Leben in seiner Gesammtheit aufzufassen. Vor Muller hat kein anderer Forscher das Leben so studirt, in so grosser Ausdehnung. Er war einer der ersten, welche das Mikroskop zu Hülfe nahmen. Er war aber beschäftigt, das Lebendige zu verfolgen in seiner Thätigkeit, in seinem Handeln, in seiner Aktivität. So ist er hin ausgezogen und ist einer der ersten gewesen, welche die lebende maritime Fauna zum Gegenstand ihrer Untersuchungen machten. Ohne Müller's Vorgang Würde jene Wanderung sich nicht voll zogen haben, die jetzt nach Italien geht und in der zoologischen Station zu Neapel ihren Mittelpunkt findet. Wozu war das alles?

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