Doreen FreiIn meinem Leben bin ich schon früh dem Tod begegnet. Kaum in die Schule gekommen, hatte ich den Verlust meiner geliebten Oma zu verkraften und wenig später kam mein Vater auf tragische Weise bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ich kann mich nicht erinern, dass die Trauer bei uns besonders verarbeitet wurde. Oma war einfach alt und wenn meine Eltern leise im Wohnzimmer sprachen, schnappte ich immer wieder den Begriff "Erlösung" auf. Anders war es, als mein Vater starb. Meine Mutter versank jahrelang in einer tiefen Depression. Als ich 15 war, hatte meine Mutter einen neuen Partner. Die Beziehung war glücklich, daher fiel meine Mutter aus allen Wolken, als er sie drei Jahre später verließ, weil eine andere Frau ein Kind von ihm erwartete. Schon wieder machte sich der Verlust in unserem Leben breit. Ich lernte meinen späteren Mann im Sportverein kennen. Unsere beiden Wunschkinder kamen und alles hätte perfekt sein können, wenn mein Mann nicht mit nur 34 Jahren die Diagnose Hirntumor erhalten hätte. Ich war am Anfang völlig orientierungslos. Doch dann half mir ein Gespräch mit einem Seelsorger, dass ich meine Kräfte sammeln konnte, alte Wunden schloss und ich begleitete meinen Mann so gut ich es damals konnte. Das gab mir Kraft, Abschied, Beerdigung und die Zeit danach zu überstehen. Seine letzten Wochen hatte mein Mann auf eigenen Wunsch in einem Hospiz verbracht. Dort kam ich automatisch ins Gespräch mit anderen Angehörigen. Obwohl ich mich selbst auf einen großen Verlust vorbereiten musste, fiel mir auf, dass ich in der Lage war, auch anderen Trost zu spenden und ihnen beizustehen. Eine Rückkehr in meinen Beruf in der Behörde erschien mir nach all dem Erlebten nicht mehr passend. Immer wieder sah ich vor meinem inneren Auge die Ruhe und Kraft, die der Seelsorger ausgestrahlt hatte und ich ließ mich zur psychologischen Beraterin ausbilden. In den letzten Jahren habe ich viele Menschen begleitet, die ihren Partner verloren haben, ihr Kind oder auch die eigenen Eltern. Dabei habe ich festgestellt, dass es Patentrezepte nicht gibt, aber sehr wohl gewisse Leitlinien, mit denen jeder individuell den Verlust verarbeiten kann. Eher zufällig ergab sich, dass auch gebrochene Herzen meine Beratung suchten. Tatsächlich lassen sich die Erfahrungen aus der Trauerarbeit hervorragend auf Liebeskummer übertragen. Ich bin glücklich, wenn ich sehe, wie Menschen aus tiefem Schmerz heraus neue Perspektiven und Hoffnung für ihren eigenen Lebensweg gewinnen. Read More Read Less